Einleitung
Seit mindestens 2.000 Jahren werden Holzfässer für die Lagerung und den Transport von Flüssigkeiten verwendet. Für deren Herstellung kommen heutzutage eine Vielzahl von Holzarten in Frage. Doch für die Reifung von Wein oder Spirituosen – und hier interessiert uns ganz besonders der Whisky – führt kein Weg an ihr vorbei: die Eiche. Eine Holzart, die bereits seit Jahrhunderten das Küferhandwerk beherrscht. Doch warum gerade dieses Holz? Welche Eigenschaften lassen die Eiche aus all den verschiedenen Holzarten, die es auf unserem Planeten gibt, hervorstechen? Wo sind die verschiedenen Eichenarten beheimatet und wodurch unterscheiden sie sich voneinander? Und gibt es alternative Hölzer, die ebenfalls für die Reifung von Spirituosen geeignet sind? Fragen über Fragen, die nach grundlegenden Antworten suchen.
Die Eiche bietet gleich aus mehreren Gründen Vorteile für die Herstellung von Fässern. Denn Eichenholz ist hart und sehr stabil. Es lässt sich mittels Hitze leicht in Form biegen, ohne zu brechen. Zudem ist Eichenholz äußerst beständig, wobei es viele Jahrzehnte lang verwendet werden kann. Eiche hemmt auch das Wachstum von Schimmel- und Hefepilzen, die die Qualität des Holzes beeinträchtigen können. Verglichen mit Nadelhölzern besitzt Eichenholz keine Harzkanäle, wodurch die Abgabe unerwünschter Aromen an den flüssigen Inhalt vermieden wird. Eichenholz weist ein gutes Maß an Porosität auf, was einen Gasaustausch mit der Umgebung ermöglicht. Somit kann die Flüssigkeit im Eichenfass „atmen“ und mit der Atmosphäre interagieren. Eine dichte Maserung der Eiche verhindert dabei ein mögliches Auslaufen des flüssigen Fassinhalts. Zu guter Letzt weist Eichenholz ein wünschenswertes Gleichgewicht an flüchtigen und nichtflüchtigen, chemischen Inhaltsstoffen auf, die den darin gelagerten Flüssigkeiten – wie z. B. Whisky – über die Jahre der Reifung Aroma, Geschmack sowie Textur (Adstringenz und Mundgefühl) verleihen. Es spricht also vieles für die Eiche.
Pflanzengattung Quercus
Weltweit existieren etwa 600 verschiedene Eichenarten, von denen die meisten in den mittleren Breiten der nördlichen Hemisphäre – in den mittleren und östlichen Vereinigten Staaten sowie in West- und Osteuropa – heimisch sind. Botanisch gesehen zählen diese Laubbäume zur Pflanzengattung Quercus (Q.), die im Allgemeinen in zwei Hauptgruppen unterteilt wird: Weißeichen und Roteichen. Eichen zählen zu den langsam wachsenden Bäumen, sind mit einer Höhe von 15 bis 40 Metern eher mittelgroß und werden mit mehreren Hundert Jahren sehr alt. Die bisher älteste Eiche der Welt soll sogar um die 1.500 Jahre alt sein. Für die Verwendung zur Herstellung von Fässern sind jedoch nur rund ein Dutzend Eichenarten wirklich geeignet. Die beiden Hauptlieferanten von Eichenholz für die Fassherstellung sind die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich, daher auch die weit verbreitete Verwendung der Begriffe „Amerikanische Eiche“ und „Französische Eiche“ in der Küferei.
Amerikanische Eiche
Eine der wichtigsten Arten in der Gruppe der Weißeichen ist die amerikanische Weißeiche Q. alba. Ihr Name leitet sich von der Farbe der Baumrinde ab, obwohl die überwiegende Mehrheit eher hellgrau ist. Sie wächst hauptsächlich in den östlichen Bundesstaaten, von Florida bis ins kanadische Quebec und westlich von Minnesota und Missouri sowie in den Ozark Mountains. Q. alba ist ein typischer Tieflandbaum, gedeiht aber auch in den höheren Lagen der Appalachen ganz gut. Die Bäume werden meist bis zu 30 Meter groß, können einen Durchmesser von über 1,5 Meter erreichen, haben ein gerades Wachstum mit nur wenigen Ästen (Astlöcher in den Dauben führen zu Undichtigkeiten) und sind äußerst langlebig, wobei einige Exemplare ein Alter von über 600 Jahren erreichen können. Ihr enormes Verbreitungsgebiet beruht auf der Toleranz und Anpassung an eine Vielzahl von Lebensräumen. Trockene, feuchte, saure und basische Böden sowie niedrige und hohe Lagen stellen für Q. alba kein Problem dar. Verglichen mit anderen Eichenarten wächst die amerikanische Weißeiche sehr schnell. In der Regel werden die Baumstämme bereits gefällt, wenn sie ein Alter von 80 Jahren erreicht haben.
Aufgrund dieser vielfältigen und für den Küfer hervorragenden Eigenschaften stellt Q. alba wohl die wichtigste Eichenart in der Spirituosenindustrie dar. Denn sie bildet die Grundlage für die nahezu gesamte amerikanische Whiskey-Produktion. Einmal benutzte Fässer dürfen die amerikanischen Bourbon- und Tennessee Whiskey-Hersteller laut Gesetz nicht mehr wieder verwenden. Daher sind diese gebrauchten Bourbon-Fässer in riesigen Stückzahlen vorhanden und verhältnismäßig günstig. Sie werden meist an die schottische Whisky-Industrie weiterverkauft (weit über 90 Prozent der in Schottland gelagerten Whisky-Fässer sind aus Q. alba gefertigt), finden ihren Weg aber auch in die Lagerhäuser von Rum-, Brandy-, Sherry- oder Tequila-Produzenten auf der ganzen Welt. Kurz gesagt, amerikanische Weißeiche ist überall! Darüber hinaus enthält das Holz eine Vielzahl an natürlich vorkommenden, chemischen Inhaltsstoffen, die begehrte Noten von Vanille, Karamell, Marzipan sowie Kokosnussaromen an den reifenden Fassinhalt abgeben.
Europäische Eiche
Die beiden Hauptunterarten der europäischen Weißeiche sind Q. robur, die auch als Q. pedunculata französische, englische, Limousin- oder Stieleiche bekannt ist, und Q. petraea, die auch als Q. sessile oder Traubeneiche bezeichnet wird. Sie sind in den europäischen Laubwäldern von England bis nach Russland weit verbreitet und auch bei uns in Deutschland die beiden Eichenarten mit der größten Häufigkeit. Es gibt noch weitere Arten und verschiedene gebräuchliche Namen, was zu einer gewissen Verwirrung führen kann. Denn Q. robur und Q. petraea werden manchmal beide als französische Eiche bezeichnet, wobei man gelegentlich auch Bezeichnungen wie ungarische Eiche und russische Eiche findet. Hingegen bezieht sich der Begriff amerikanische Eiche ausschließlich auf Q. alba.
Quercus robur
Obwohl in Frankreich gleich mehrere Eichenarten gut wachsen, bildet Q. robur eine wichtige Grundlage für die wohl berühmteste französische Spirituose, den Cognac, weshalb das Land mit dieser Eichenart in Verbindung gebracht wird. Der Großteil der Ernte von Q. robur stammt aus den Wäldern des Limousin in Westfrankreich, östlich von Cognac. Die französischen Wälder, insbesondere die in den kälteren nördlichen Regionen, eignen sich gut für ein langsames Wachstum der Bäume. Es dauert oft bis zu 200 Jahre, bis sie einen ausreichenden Umfang erreicht haben. Die Bäume bevorzugen tiefe und nährstoffreiche Böden in niedrigen Höhenlagen, oft auf offenem Land, wodurch das Holz zu Ästen und Verdrehungen neigt. Das Holz ist gröber und lockerer gemasert als Q. alba und für den Küfer insgesamt schwieriger zu bearbeiten, da es auch leichter splittert. Außerdem enthält es bis zu zehnmal mehr Tannine (Gerbstoffe), die für Farbe und Adstringenz sorgen, und ist zudem würziger als amerikanische Weißeiche. Die südlicheren Eichen aus den Vorgebirgswäldern an den Nordhängen der Pyrenäen werden gerne für die Herstellung von Armagnac-Fässern (Armagnac ist der deutlich ältere, jedoch weniger berühmte Bruder des Cognacs) verwendet. Spanische Eiche ist im Allgemeinen auch Q. robur, wird aber – wie bereits der Name andeutet – in Spanien angebaut. Die Wachstumsbedingungen für Eichen in Spanien sind ganz anders als in den Wäldern Frankreichs. Das wesentlich heißere und trockenere Klima Spaniens sorgt dafür, dass das Holz poröser ist und die daraus gefertigten Fässer anfälliger für Undichtigkeiten werden. Spanische Eiche hat jedoch den höchsten Tannin-Gehalt aller europäischer Eichen.
Quercus petraea
Die Traubeneiche ist in den verschiedenen Wäldern Frankreichs beheimatet, darunter Allier, Nevers und Tronçais (alle in Zentralfrankreich) sowie in den Vogesen, wächst aber auch in ganz Osteuropa. Im Vergleich zu Q. robur ist sie meist höher mit einem langen, geradlinigen Stamm. Sie besitzt einen geringeren Durchmesser, was zu einem eng gemaserten Holz führt. Dies liegt an den kurzen Abständen zwischen den Bäumen, die dazu führen, dass sich die Pflanzen gegenseitig das Licht streitig machen. Daher benötigt Q. petraea in der Regel ein Alter von bis zu 150 Jahren, um die Erntereife zu erreichen. Gerade französische Winzer bevorzugen dieses feine Holz, da es die Textur ihres Weins erhöht und die Eichenaromen deutlich hervortreten lässt.
Japanische Eiche
Die japanische Eiche (Q. mongolica) ist eine Eichenart, die in Japan, bestimmten Teilen Chinas, Koreas, der Mongolei und in Sibirien wächst. Sie ist auch als Mizunara-Eiche bekannt, was wörtlich übersetzt „Wassereiche“ bedeutet. Diesen Namen verdankt das Holz seinem hohen Feuchtigkeitsgehalt. Die japanische Eiche wächst eher krumm als gerade und weist im Vergleich mit ihren europäischen sowie amerikanischen Pendants mehr Verästelungen auf. Zudem ist das Holz weich und porös, so dass daraus gefertigte Fässer leicht zu beschädigen sind sowie häufiger zu Undichtigkeiten neigen. Um eine angemessene Größe zu erreichen, damit daraus überhaupt geeignete Fassdauben gefertigt werden können, muss der Baum ein Alter von mindestens 150 bis 200 Jahren aufweisen. Aufgrund dieser Nachteile sind Mizunara-Fässer äußerst rar und mit Kosten von mehreren tausend Euro pro Fass sehr teuer, aber nicht minder begehrt. Denn das Holz besitzt einen hohen Vanillin-Gehalt und verleiht dem reifenden Whisky zudem einzigartige, bisher noch nie dagewesene Aromen von Weihrauch, Sandelholz und orientalischen Gewürzen, die an einen japanischen Schrein oder Tempel erinnern.
Oregon-Eiche
Die Oregon-Eiche (Q. garryana), auch Garry Oak genannt, ist ein relativ junges Mitglied in der Familie der Fasseichen. Ihr natürlicher Lebensraum erstreckt sich vor allem vom Nordwesten Kaliforniens über die Bundesstaaten Oregon und Washington bis in den Südwesten British Columbias. Sie wächst in niedrigen bis mittleren Höhenlagen (bis zu 1.800 Meter in Nordkalifornien) allein, aber oft auch in Hainen, wird zwischen 15 und (eher selten) 20 Meter groß und verträgt Trockenheit. Die Oregon-Eiche gilt als eine ganz besondere Weißeichenart, die sich stark von ihren Vettern in der östlichen Hälfte der USA unterscheidet. Mit einem stark phenolischen Aromaprofil und einem hohen Tannin-Gehalt ist Q. garryana eine äußerst durchsetzungsfähige Eichenart in Hinblick auf die Reifung von Whisky, die kräftige und komplexe Aromen hervorbringt. Sie gibt dunklere Aromen wie Melasse, Kaffee, Rauch und Nelken an das reifende Destillat ab.
Andere Hölzer
Amerikanische und europäische Eichen stellen mit Abstand die wichtigsten Arten dar, die für die Spirituosenherstellung verwendet werden. Daneben existiert aber noch eine Vielzahl anderer Holzarten, die gelegentlich in der Spirituosen-Industrie zur Reifung eingesetzt werden, sofern dies durch die Gesetzgebung des jeweiligen Landes erlaubt ist. Während beispielsweise in Schottland die ausschließliche Verwendung von Eiche als Fassholz seit 1990 vorgeschrieben ist, dürfen andere Whisky-produzierende Länder – wie Kanada, Japan oder Deutschland – auch auf Hölzer außerhalb der Gattung Quercus für ein Finishing oder gar die komplette Reifung zurückgreifen. Einige Beispiele werden im Folgenden aufgeführt.
Akazie
Akazien wachsen nur sehr selten als Bäume, sondern vielmehr als Sträucher. Und von diesen wenigen Bäumen liefert auch nur ein Bruchteil verwertbares Holz für den Fassbau. Daher ist die echte Akazie entsprechend selten zu kaufen und teuer. Das Holz, das hierzulande Akazie genannt wird, stammt von der ähnlichen „Scheinakazie“, auch „gewöhnlichen Robinie“ (Robinia pseudoacacia) genannt. Im Gegensatz zur Akazie ist die Robinie ein Baum, der bis zu 25 Meter hoch werden kann. Sie ist ursprünglich in der südöstlichen Region Nordamerikas beheimatet, wächst aber mittlerweile auch in Süd- und Osteuropa. Robinienholz ist nicht nur hart und widerstandsfähig, sondern auch langlebig, resistent gegen Pilze sowie Insekten und lässt sich gut bearbeiten. Verglichen mit Eiche geben Akazienfässer weniger Farbe und Tannine an das reifende Destillat ab. Das Geschmacksprofil ist süßlich und würzig mit einem Duft nach Gewürznelken.
Kastanie
Zur Gattung Kastanien (Castanea) zählt die in Süd- und Westeuropa angebaute Edelkastanie, die neben Holz auch essbare Früchte liefert. Das harte Holz wird nicht so häufig zu Fässern verarbeitet, kommt aber gelegentlich bei Wein – insbesondere bei Portwein – zum Einsatz. Auch für die Reifung bzw. das Finishing von Whisky birgt die Kastanie großes Potenzial. Denn sie besitzt viele ähnliche aromatische Eigenschaften wie die Eichenarten, verfügt darüber hinaus über reichlich flüchtige Phenole und ein gutes Maß an Tannine. Wie Akazienholz ist auch das Holz der Kastanie ziemlich porös, so dass größere Volumenverluste durch Verdunstung während der Fassreifung auftreten können. Ein hohes Maß an Porosität fördert jedoch eine stärkere oxidative Reifung des Fassinhalts, die für bestimmte Zwecke durchaus von Vorteil sein kann.
Kirsche
Der amerikanische Kirschbaum, der auch als spätblühende Traubenkirsche oder Black Cherry bezeichnet wird, ist im gesamten Osten der Vereinigten Staaten zu finden und hat ein ähnliches geografisches Verbreitungsgebiet wie die amerikanische Eiche. In Europa hingegen ist die Vogelkirsche die am stärksten vertretene Kirschbaumart. Kirschbaumholz lässt sich relativ leicht bearbeiten und biegen. Entsprechende Fässer kommen in der Weinindustrie zum Einsatz, wobei das Holz dem Wein ein fruchtiges Aroma verleiht. Sicherlich auch ein interessantes Holz für so manch experimentierfreudige Whisky-Brennerei.
Maulbeere
Die Maulbeere ist eine Baumfamilie, die in den gemäßigten Regionen der nördlichen Hemisphäre wächst und zwischen 10 und 30 Meter groß werden kann. Das Holz wird als hart, dauerhaft sowie gut und leicht zu bearbeiten beschrieben. Berichten zufolge ist die Maulbeere eines der aromatischsten Hölzer, die für die Fassherstellung zur Verfügung stehen. Maulbeerholz gibt eine intensive Farbe und ein charakteristisch süßliches Aroma an das reifende Destillat ab. Häufige Verwendung finden Fässer aus Maulbeere bei der Reifung von Obstbränden, insbesondere von osteuropäischen Pflaumendestillaten wie Sliwowitz.
Die Neben diesen gängigen Holzarten finden aber auch Fässer aus so genannten exotischen Hölzern, wie Ahorn, Esche, Hickory, Pekannuss, Rauli (Scheinbuche) oder Wacholder, gelegentlich für die Lagerung und Reifung von Spirituosen Verwendung.
Fazit
Die Auswahl des Materials, seine Anatomie, die physikalischen und chemischen Eigenschaften, die Vorbereitung (Stichwort: "Seasoning") sowie die Verarbeitung bei der Herstellung der Fässer (Stichwort: "Toasting" und/oder "Charring") nehmen einen großen Einfluss sowohl auf die Aromastoffe im Eichenholz als auch auf den späteren Reifungsprozess von Spirituosen.
Im 2. Teil der Serie werden wir daher diese Aspekte in Hinblick auf die amerikanische Weißeiche Q. alba sowie auf die beiden wichtigsten europäischen Eichen Q. robur und Q. petraea eingehender betrachten.