Ganze 3 Jahre und 8 Monate hat es gedauert, bis ich endlich wieder nach Schottland kam. Eine unglaublich lange Zeit, wie ich finde. Nachdem die Reise auf Islay mit dem Veranstalter von Celtic-Reisen Hans und dem Scottsman Harry aus Speyer ein besonderes Erlebnis für mich war, hatte ich mich bereits im Frühjahr 2011 wieder für eine von Ihnen organisierte Tour entschieden und zwar dieses Mal für die 5-tägige Whisky-PUR-Tour in die Highlands. Ich hatte schon von einigen Leuten gehört, die diese Reise bereits mitgemacht haben, dass es sehr beeindruckend war und vor allem die Unterkunft und das Essen in dem Guesthouse ‘Culdearn House‘ hervorragend sein sollte, was meine Entscheidung für diese Tour umso leichter machte. Nach langem Warten ging es dann endlich am 17. Oktober los.
Montag, 17. Oktober 2011
Harry hatte mich zuhause um 4:30 Uhr morgens abgeholt und wir fuhren gemeinsam zum Frankfurter Flughafen. Der Flug mit KLM ging mit Zwischenstopp in Amsterdam, wo wir die restlichen 4 Teilnehmer der Tour, die von Köln aus gestartet waren, aufsammelten, ohne nennenswerte Verspätungen nach Aberdeen. Dann war der große Augenblick gekommen – um 10:10 Uhr Ortszeit betrat ich wieder schottischen Boden. Das Wetter war stark bewölkt und kühl, 8°C mit böigem Westwind und vereinzelten Regentropfen. Dies schien aber einigen Schotten mit ihrer recht sommerlichen Kleidung scheinbar nichts auszumachen, während wir mit winddichter Jacke und Innenfleece vor dem Flughafengebäude auf den Mietwagen warteten. Nachdem wir es uns dann zu Sechst im geräumigen Mercedes Vito gemütlich gemacht hatten, fuhr Harry westwärts am River Dee entlang zu unserer ersten Brennereibesichtigung. Als wir Aberdeen hinter uns gelassen hatten und die Anzahl der Häuser auf unserem Weg immer weniger wurden, zog die karge Landschaft mit ihrer unendlichen Weite unsere volle Aufmerksamkeit auf sich.
Die Ausläufer der Cairngorm Mountains, einer der Hauptgebirgszüge Schottlands, waren mit verblühtem Heidekraut bedeckt und hier und da sah man Schafsherden friedlich auf den saftigen grünen Wiesen weiden. Hier gehen die Uhren wirklich langsam und mich beschlich ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit nach dem hektischen deutschen Alltag. Aber so langsam machte sich Hunger bei unserer Gruppe breit und Harry steuerte in der Ortschaft Aboyne zielsicher das Pub ‘The Boat Inn‘ an, wo es seiner Meinung nach die besten Fish and Chips in der Umgebung gab. Dies hatten wir natürlich gleich getestet und er hatte nicht zuviel versprochen.
Während wir unser Essen mit schottischen Bier hinunterspülten und das Ambiente dieses für Schottland urtypischen Pubs auf uns wirken ließen, kamen unsere Lebensgeister wieder zurück und wir machten uns frisch gestärkt und voller Vorfreude auf den Weg nach Ballater zu unserer ersten Destillerie ‘Royal Lochnagar‘. Harry hatte eine Extra-Tour für uns gebucht und nach kurzem Aufenthalt im Visitor-Centre mit kleinem, aber feinem Shop mit Büchern, Souveniers und diversen Whiskies ging es auch schon los. Da zwei unserer Mitreisenden die englische Sprache nicht so gut verstanden, hatte Harry kurzerhand Claire, unseren weiblichen Tourguide angewiesen, ihre Ausführungen immer wieder zu unterbrechen, damit er das Gesagte dann ins Deutsche übersetzen konnte, was ihm vorzüglich gelang. Leider durften auf der Tour keinerlei Fotos gemacht werden, was unseren anderen beiden mitgereisten Hobbyfotografen sichtlich missfiel. Aber gut, so sind eben die Regeln bei Diageo. Royal Lochnagar ist die kleinste Brennerei in dem 28 Destillereien umfassenden Verbund des größten Getränkekonzerns der Welt. Sie wurde 1823 von James Robertson gegründet, aber bereits 18 Jahre später durch einen Brand völlig zerstört. Daraufhin errichtete John Begg 1845 auf der anderen Seite des Flusses Dee eine neue Destillerie und nannte sie 'New Lochnagar‘. Nach einem Besuch von Queen Victoria vom nahegelegenen Schloss Balmoral Castle in 1848 wurde Begg zum Hoflieferanten ernannt und die Destillerie durfte seitdem den Zusatz ‘Royal‘ im Namen führen. Anders als bei vielen anderen Brennereien wird hier die Hefe in flüssiger Form der Würze (engl. wort) auf dem Weg von dem Maischebottich (engl. mash tun) über den Wärmetauscher zu den aus Douglas Tanne hergestellten Washbacks bereits in der Verbindungsleitung zugesetzt, sodass die Fermentation schneller in Gang gesetzt werden kann. Auch wird die Fermentation mit 5 Tagen sehr lange durchgeführt, was schließlich zu einem milden, grasigen New Make nach Beendigung der beiden, sich anschließenden Destillationen in je einer Wash- und Spiritstill führt. Die Besichtigungstour schloss mit einem dram Royal Lochnagar 12 Jahre ab, wobei ich sagen muss, dass mir diese Standardabfüllung vor Ort viel intensiver vorkam und auch deutlich besser schmeckte, als ich es von zuhause von der 40%-igen Abfüllung gewohnt war. Das musste wohl an dem Ambiente liegen. Nach kurzen Einkäufen im Destillerieshop ging es dann weiter zu unserem Hauptquartier in Grantown-on-Spey.
Wir verließen Balmoral und steuerten dann den Weg in die Highlands über die Cairngrom Mountains an. Die Straßen wurden immer enger und schlängelten sich wie feine dunkle Adern durch die schier endlose Weite der Highlands entlang. Keine Menschenseele war zu sehen, lediglich ein paar Schafe und Rinder trotzten den widrigen Wetterverhältnissen, da mittlerweile der Regen bei 2°C Aussentemperatur in Schneeregen überging. Aber wenn man so im warmen Auto sitzt und keltischer Musik aus dem CD-Player lauscht, macht das einem nun gar nichts aus - höchstens Harry, der bei diesem Wetter und einsetzender Dunkelheit fahren musste. Das Landschaftspanorama war wirklich atemberaubend und man stellte sich vor, wie diese Kulisse wohl bei Sonnenschein aussehen mochte. Dies sollten wir zu einem späteren Zeitpunkt erleben dürfen.
Kurz nach 18 Uhr Ortszeit kamen wir in Grantown-on Spey an und steuerten am Ortsrand das ruhig gelegene 5***** CULDEARN House mit mehrfach ausgezeichneter Küche an. Dort wurden wir herzlich von Sonia, der Dame des Hauses, empfangen und auf eines der 7 individuell eingerichteten Doppelzimmer verteilt. Mir wurde das ‘Dunrobin‘-Zimmer im 2. Stock zugeteilt. Es ist gemütlich eingerichtet mit einem King-Size Bett, einem Kleiderschrank, einer Kommode, Fernseher und einem nagelneuen Bad mit eingebauter Dusche. Zudem hat das Zimmer zwei schräge Dachfenster, auf denen der Regen herrlich prasselte. Unten im Eingangsbereich befinden sich neben der Küche, in der Sonia jeden Abend ein großartiges 4-Gänge Menü zauberte, das Speisezimmer und eine gemütliche Lounge.
Diese war typisch schottisch eingerichtet mit dicken Sesseln, und einigen Sitzgarnituren, vielen Bildern an der Wand und viel Nippes drumherum, wobei das Auge aber nicht überfrachtet wurde. Zentraler Punkt in dieser gemütlichen Lounge war ein offener Kamin, in dem bereits ein kleines Torffeuer prasselte und wohlige Wärme spendete. Sofort kam der Wunsch nach einem Aperitif auf und William, Sonias Mann und Kellner am Abend, nahm unsere Bestellung wohlwollend entgegen. Nachdem wir dann aus der Karte aus je 4 Vorspeisen, Zwischen- und Hauptgängen unser Menü individuell zusammenstellten, wurden wir 15 Minuten später in das Speisezimmer gebeten, wo ein großer, für 6 Personen gedeckter Tisch auf uns wartete. An einem Nebentisch saßen bereits drei weitere Gäste, die schon den ersten Gang sichtlich genossen hatten. Ich hatte für den ersten Abend als Vorspeise eine Lachsrolle, gefüllt mit Forellenmus, eine Tomatensuppe mit Paprika als Zwischengang und das zarte Lammfilet mit gebratenen Kartoffeln, Kohlgemüse und grünen Erbsen als Hauptgang ausgesucht. Das Menü von Sonia schmeckte vorzüglich und ich fühlte mich jetzt schon in diesem gemütlichen Guesthouse, auch dank der freundlichen und humorvollen Art von William, heimisch und geborgen. Nach dem Nachtisch, auf den ich verzichtete, da sich bereits ein angenehmes Sättigungsgefühl breit gemacht hatte, nahmen wir noch einen Schlummertrunk am Torffeuer. Ich genoss die Bettruhe begleitet von prasselnden Regentropfen auf meinem Dachfenster.
Dienstag, 18. Oktober 2011
Nach einer ruhigen Nacht trafen wir uns morgens beim Frühstück, wo William bereits Toast, Marmelade, Honig, Müsli, Tee und Kaffee bereit gestellt hatte und die Bestellung für das Frühstück aufnahm. Man konnte wählen zwischen full Scottish breakfast, Rühreiern mit schottischem Lach, Porridge und weiteren Köstlichkeiten. So gegen 8:45 Uhr ging es dann los zu unserer nächsten Destillerie, Glenlivet.
Die etwas abseits im Hochmoor von Minmore gelegene Brennerei wurde von George Smith als erste legale Brennerei nach dem Steuergesetz ‘Act of Excise‘ von 1823 gegründet. Im Jahre 1858 wurde die heutige Destillerie erbaut und gehört mittlerweile zur französischen Pernod Ricard Gruppe. Wir kamen bei Nieselregen an, machten schnell noch ein paar Fotos von außen und sahen uns dann im gemütlich eingerichteten Shop um, während Harry die Tickets für die erste Tour um 9:55 Uhr löste. Unsere Guide Chris, der erst seit 5 Wochen bei Glenlivet ist, machte und dann darauf aufmerksam, dass wir vom Produktionsbetrieb wieder keine Fotos machen durften.
Über die Mühle, der Mash Tun und den aus Oregon Pinie bestehenden Washbacks ging es dann ins Stillhouse, wo plötzlich die riesigen Brennblasen durch das hereinfallende Sonnenlicht in den schönsten Kupferfarben glänzten. Durch die hohen Fenster sah man die Wiesen, Wälder und Berge ringsherum im Sonnenlicht erstrahlen und sie zogen unsere volle Aufmerksamkeit auf sich. Am Ende der Tour gingen wir noch ins Warehouse No. 3, wo ein altes Eichenfass, gefüllt mit Glenlivet aus dem Jahre 1962, darauf wartet, seinen Inhalt im nächsten Jahr als Jubiläumsabfüllung preiszugeben, was allerdings wohl nicht für den kleinen Geldbeutel bestimmt sein wird. Im Tastingraum, in dem ein großes Porträt des Firmengründers George Smith über dem offenen Kamin trohnte, warteten bereits drei Whiskies auf uns, nämlich die Standardabfüllungen 12, 15 und 18 Jahre. Aber nach der Vorfreude teilte uns Chris mit, dass wir nur einen dram kosten dürfen. Für wen waren dann die anderen? Naja egal, wir wollten es um diese Uhrzeit ja nicht übertreiben und so plauderte ich noch mit Chris bei einem dram Glenlivet 18 Jahre über die Geheimnisse der Fermentation und konnte ihm noch so einige Details dazu erklären, da ich auf meiner Homepage kurz vor diesem Trip nach Schottland die Aromenbildung durch Fermentation aus chemischer Sicht dargestellt habe. Nach einer kurzen Stärkung im neuen Selbstbedienungs-Restaurant bei Glenlivet machten wir noch ein paar Fotos von außen, da wieder kurz die Sonne zum Vorschein kam und dann ging es auch schon weiter zu Glenfarclas.
Die an den Hängen des Berges Ben Rinnes gelegene und 1836 von Robert Hay gegründete Brennerei ging nach dessen Tod im Jahre 1865 in den Besitz von John und dessen Sohn George Grant über und ist seither in Familienbesitz. Pünktlich um 14 Uhr schlugen wir dort auf, mussten aber zu unserem Bedauern feststellen, dass George Grant nicht vor Ort war, da er vor ein paar Tagen erneut Vater wurde. Familie geht vor – gerade bei den Grants. So führte uns Simon durch die einzelnen Stationen der Destillerie – und hier durften wir uneingeschränkt Fotos machen. Da zwischenzeitlich wieder sehr starker Regen einsetzte, machten wir uns, mit Glenfarclas-Regenschirme bestückt, auf den Weg. Beeindruckend für mich war das abschließende Tasting im eigens dafür eingerichteten Raum mit imposanter Holzvertäfelung und nicht minder beeindruckenden Kronleuchtern. Ein wahrlich würdiges Ambiente, um einen Glenfarclas 12 und 21 Jahre zu genießen. Da wir noch etwas Zeit hatten, machten wir uns auf den Weg zur Tomintoul Brennerei, mussten aber, als wir gegen 16:30 Uhr ankamen, feststellen, dass die Schotten um diese Zeit bereits die letzte Tour hinter sich hatten. So beschlossen wir kurzerhand, dem beschaulichen Örtchen Tomintoul einen kleinen Besuch abzustatten. Während sich ein Teil unserer Gruppe in einem Cafe bei einem heißen Getränk aufwärmte, bestaunte ich im kleinen, aber berühmten Shop ‘Whisky Castle‘ die enorme Auswahl an Flaschen unabhängiger Abfüller, von denen es mehr als 500 Single Malts sein sollen. Innerlich etwas aufgewärmt und mit Vorfreude auf ein dram am Torffeuer sowie auf ein vorzügliches Abendessen von Sonia, traten wir dann den Heimweg an. Gesagt, getan – ein Strathisla 12 Jahre am Torffeuer, Tomaten, Feta-Käse und Basilikum, gefolgt von Hafersuppe mit Schinken und einer gebratenen Entenbrust mit Mohrrüben, Kartoffelbrei und gebratener Pastinake, sowie ein Glas Rotwein rundeten den Abend hervorragend ab und sorgten für die nötige Bettschwere.
Mittwoch, 19. Oktober 2011
Am nächsten Tag erwartete uns ein reichlich vollgepacktes Programm und nach wiederum sehr gutem Frühstück ging es auch schon um 9 Uhr los in Richtung Craigellachie zur Speyside Cooperage, die von weitem schon durch hohe Türme aus gestapelten Eichenfässern erkennbar ist.
Diese Böttcherei, die als einzige ihrer Art ein Besucherzentrum hat, produziert bzw. repariert im Jahr ca. 150.000 Eichenfässer und versorgt somit eine Vielzahl von Destillerien in ganz Schottland mit den gesetzlich vorgeschriebenen Lagerbehältnissen für das Aqua Vitae. Die kurze Wartezeit, bis die Tour begann, verkürzten wir durch einen Besuch im geschmackvoll eingerichteten Shop. Den liebevoll angelegten Park auf dem Gelände konnten wird aufgrund des Wetters nicht genauer in Augenschein nehmen; er machte aber von weitem einen tollen Eindruck und ist sicher bei trockenem Wetter beliebt, vorallem bei den kleinen Besuchern. Zu Beginn der Besichtigungstour wurde ein kurzer Film über die Geschichte und die Arbeitsabläufe in der Böttcherei gezeigt, ehe es dann auf die Besuchergalerie ging.
Von dort hatte man einen beeindruckenden Überblick über die einzelnen Arbeitsstationen, bis ein Fass hergestellt wird. Da die Arbeiter, die 5 Tage lang jeweils von 8-17 Uhr hier ihren Dienst verrichten, pro Fass bezahlt werden, war die Arbeitsgeschwindigkeit entsprechend hoch und beeindruckte noch mehr, in welcher kurzen Zeit aus einigen Holzstreben, Eisenringen und zwei Deckeln ein komplettes Eichenfass entstand. Nach dieser äußerst interessanten Darbietung ging es zurück in den Shop, wo ein dram ‘Heather Dream‘, ein wohlschmeckender Whiskylikör, auf uns wartete. Nach anschließendem Einkauf im Shop ging es bei Nieselregen zu unserer nächsten Brennerei, Glenfiddich.
Ein großer Parkplatz, inklusive Stellplätze für Reisebusse, gegenüber dem Destilleriegelände lässt bereits erahnen, dass hier Besichtigungen im großen kommerziellen Stil durchgeführt werden. In der Tat kommen jedes Jahr ca. 125 000 Besucher nach Dufftown, um die von William Grant und seinen 9 Kindern erbaute und am Weihnachtstag 1887 erstmals in Betrieb genommene Destillerie zu bestaunen. Die 1963 begonnene Marketing Strategie, Glenfiddich als Single Malt ausserhalb von Schottland anzubieten, ging völlig auf und mit einem Marktanteil von 15% in 2010 ist Glenfiddich der meist verkaufte Single Malt der Welt. Die Besichtigungstour startete bereits in 8 Minuten und somit blieb noch etwas Zeit, um den wunderbar gestalteten Raum des Visitor Centres zu bestaunen, in dem die gesamte Geschichte von Glenfiddich visuell dargestellt wird. Auch ein Blick in die Besuchertoiletten lohnt sich, da die Räume komplett mit Holzvertäfelung versehen sind. Auch hier beginnt die Tour mit einem ca. 10 minütigen Film über Glenfiddich – von der Grundsteinlegung durch George Grant bis heute. Anschließend ging es mit unserem Guide Fergus, der erste, der uns im schottischen Kilt durch die Brennerei führte, auf Entdeckungstour. Hier merkte man die Professionalität, aber auch den kommerziellen Hintergrund dieser Tour, die sehr schnell vorüberging. Aber, es durften Fotos geschossen werden und davon hatten wir reichlich Gebrauch gemacht. Am Ende der Tour, nach einem abschließenden Blick in eines der Lagerhäuser, warteten im gemütlichen Shop mit Bar und Restaurant drei Whiskies auf ihre Verköstigung – Glenfiddich 12, 15 und 18 Jahre. Ich kannte diese drei bereits, aber vor Ort schmeckten sie, wie schon zuvor bei Royal Lochnagar, um einiges intensiver und besser. Nach einigen Fotos mit Fergus blieb leider keine Zeit, das gemütliche Restaurant bei Glenfiddich zu testen, da bereits der nächste Programmpunkt anstand.
So fuhren wir weiter Richtung Charlestown of Aberlour und steuerten um die Mittagszeit das Restaurant ‘The Mash Tun‘, unweit vom River Spey an. Hier gab es leckere Burger, die wir ausnahmslos alle bestellten und mit großem Genuss verzehrten. Das Restaurant ist mit einer großen Auswahl von Single Malts bestückt. Sehr bemerkenswert ist eine Glasvitrine, in der die gesamte Family Cask Range von Glenfarclas aufgereiht ist. Der Flüssigkeitsstand in den jeweiligen Flaschen und eine kleine Preisliste daneben verrieten, dass diese Köstlichkeiten wohl auch probiert werden können. Leider hat dieser Genuss auch seinen Preis: ein guter dram (30 ml) von der Abfüllung aus dem Jahre 1964 kostete z.B. £76,40! Wer nun der Meinung ist, dass dies zu teuer wäre, der lässt sich doch mal den Preis für 30 ml von der Family Cask Abfüllung aus dem Jahre 1952 auf der Zunge zergehen - £224,25!!! Wohlgemerkt – für 30 Milliliter. Überraschenderweise hatte niemand von uns das Bedürfnis, eine Family Cask Abfüllung zu verkosten. So kurz vor 14 Uhr kam Ian Logan, International Brand Ambassador von der Destillerie Glenlivet, in das Restaurant, besprach kurz etwas mit der Bedienung und führte dann eine 25-köpfige japanische Reisegruppe in das Restaurant, die wohl eine ausführliche Tour bei Glenlivet gebucht hatten. Das war das Signal für uns aufzubrechen und unserer nächste Brennerei, Aberlour, am Ortsrand von Charlestown of Aberlour, einen Besuch abzustatten.
Harry hatte eine Spezialtour für uns reserviert und wir machten uns mit unserem charmanten Guide Mable auf den detaillierten, einstündigen Rundgang. Leider durften auch hier keine Fotos von den Produktionsräumen gemacht werden. Mable, gebürtig aus Aberlour, gab uns einen tiefen Einblick in die ereignisreiche Geschichte der Brennerei mit ihren vielen Besitzerwechseln. Gegründet wurde die Brennerei 1826 von James Gordon und Peter Weir, wobei Letzterer bereits 1 Jahr später zurücktrat und James Gordon alleiniger Besitzer wurde. Die heutige Destillerie stammt aus dem Jahr 1879. Ein schwerer Schicksalsschlag ereilte die Brennerei in einer Winternacht des Jahres 1898, als ein Feuer nahezu alle Gebäude zerstörte. Die wieder aufgebaute Brennerei gehört heute, wie Glenlivet und 10 weitere, zur Pernod Ricard Gruppe. Im Gegensatz zu den zuvor besichtigten Brennereien verwendet Aberlour 6 Washbacks aus Edelstahl, die von außen durch ihre weiße Farbe auffielen.
Etwa die Hälfte der Jahresproduktion wird für den Single Malt Markt verwendet, wobei Frankreich der größte Abnehmer zu sein scheint. Nach dem Ende der Besichtigung ging es dann noch ins Warehouse No. 1, wo einige Fässer in Dreierreihen übereinander gestapelt, hinter einer großen Glasscheibe vor sich hinreiften. Aber nicht die Fässer, sondern das, was sich auf den runden Tischen vor uns befand, gewann unsere vollste Aufmerksamkeit: da waren 6 Glencairn Gläser mit 5 bernsteinfarbenen Flüssigkeiten zu je 2 cl gefüllt und im sechsten Glas ruhte eine klare, farblose Flüssigkeit. Harry hatte zur Überraschung und Freude aller die große Tour mit abschließendem Tasting im Warehouse für uns gebucht. Mable stellte jeden Whisky einzeln vor und wir begannen zunächst mit dem Nosing des farblosen New Make von Aberlour. Dieser roch sehr aromatisch und gar nicht so sprittig, wie man es sich vielleicht vorgestellt hatte. Eine echte Überraschung. Danach folgten der 10- und der 16-Jährige, die beide hauptsächlich für den französischen Markt bestimmt sind, der Batch No. 35 von der Fassstärkeabfüllung a’bunadh, sowie zwei 16-jährige Einzelfassabfüllungen – ein reines Bourbonfass und ein Sherryfass. Die letzteren beiden hatten sogar einen Namen: die Bourbonfassabfüllung wurde Pete, die Sherryfassabfüllung Heather genannt. Auch mal was Neues! Heather und/oder Pete konnten dann auf Wunsch von uns in eine 0,7 L Glasflasche abgefüllt, verkorkt, mit Banderole und einem selbst ausgefülltem Etikett versehen und für £65 mitgenommen werden. Nach insgesamt knapp 3 Stunden verließen wir Aberlour gut bepackt, tief beeindruckt, sowie bestens gelaunt und machten uns auf den Weg zurück ins Culdearn House. Ein dunkles Bier am Torffeuer verkürzte die Wartezeit auf das Abendmenü, bei dem ich Wildterrine mit Zwiebelmarmelade, Currysuppe mit Gemüse und ein schottisches Lachsfilet mit Bohnen, Kartoffeln und Brokkoli gewählt hatte. Wieder ein vorzügliches Mahl, bei dem wir das an diesem Tag Erlebte nochmals Revue passieren ließen. Ein kurzes Zusammensitzen am Torffeuer beendete dann unseren dritten Tag in den Highlands.
Donnerstag, 20. Oktober 2011
Der letzte Ausflugstag sollte ein weiteres Highlight unserer 5-tägigen Schottlandreise darstellen. Nach einer wiederum sehr guten und ruhigen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns gegen 9 Uhr auf den Weg zur Destillerie Balvenie.
Der umtriebige William Grant gründete 6 Jahre nach Glenfiddich im Jahre 1892 die Balvenie Brennerei, die, wie ihre ältere Schwesterdestillerie, nach wie vor zu William Grant & Sons gehört. Der Besucherparkplatz liegt mitten in einem kleinen Waldstück und nach einem kurzen Fußweg erreichten wir auch schon den Shop, wo unser Guide David bereits auf uns wartete. Besichtigungstouren bei Balvenie werden zwei Mal am Tag und nur nach Vorankündigung durchgeführt und Harry hatte die erste Tour um 10 Uhr für uns gebucht. David führte uns in einen gemütlichen Raum mit Kamin, in dem eine Gasflamme ein täuschend echtes Torffeuer zauberte. Nach kurzer Einführung mit Tee oder Kaffee und ein paar Cockies ging es dann mit Warnwesten bekleidet auf das Betriebsgelände. Balvenie ist eine der ganz wenigen Brennereien in Schottland, die einen Teil ihres benötigten Malzes noch selbst herstellen und so konnten wir den gesamten Weg, den die gerade angelieferte Gerste bis hin zum New Make zurücklegt, hier bei Balvenie verfolgen. Und das Allerbeste war zudem, dass man hier uneingeschränkt Fotos machen durfte. So konnten wir sehen, wie die Gerste in Wasser eingeweicht und nach drei Tagen dann zum Keimen auf dem Malzboden verteilt und regelmäßig, sowohl per Hand als auch maschinell, gewendet wurde.
Auch ein Blick in die Kiln, in der das Grünmalz gedarrt wurde und in den Kilnofen blieb uns nicht verwährt. Balvenie verwendet zum Darren des Malzes sogar etwas Torf und David erklärte uns, dass gleich zu Beginn der Torfrauch zum Trocknen eingesetzt wird, wenn das Malz noch feucht ist. Nur in diesem feuchten Zustand werden die Aromen des Torfrauches vom Malz aufgenommen und spiegeln sich dann im späteren Whisky wieder. Dann hatte David noch ein weiteres Highlight für uns parat: wir fuhren mit einem Landrover Defender an das Ende des Brennereigeländes zur eigenen Küferei. Hier werden, genau wie in der Speyside Cooperage, Eichenfässer restauriert. Nur mit dem Unterschied, dass die Arbeiter hier bei Balvenie nach Stunden und nicht im Akkord nach gefertigtem Fass bezahlt werden. Dementsprechend war die Stimmung bei den Arbeitern heiter und sogar Radiomusik war zu hören. Anschließend fuhren wir wieder zurück und gingen ins Warehouse, wo eine weitere Überraschung auf uns wartete.
Neben all den vielen befüllten Eichenfässern standen drei mit geöffnetem Spundloch vor uns und David holte mit einem aus Kupfer bestehenden Zylinder an einer Kette befestigt, dem sog. „Dog“, eine Probe aus jedem Fass heraus, welches wir dann verkosten durften. Da wir keine Gläser hatten, mussten unsere gewölbten Handflächen herhalten. Eine ziemlich ungewöhnliche Probiermethode, aber die drei Fassinhalte schmeckten vorzüglich. Zu guter Letzt konnte man sich ein 200 ml Fläschchen mit einem der kostbaren Inhalte für £25 unter Zuhilfenahme des Dogs selbst befüllen. Ich entschied mich für den 1st fill Sherry Cask Whisky, wobei die beiden anderen, ein 1st fill und ein refill Bourbon Barrel Whisky, auch gut schmeckten. Neben den drei Fässern stand ein großes Eichenfass, in dem die Inhalte von 7 Bourbon Barrels und 3 Sherry Casks miteinander vermählt und noch ein paar Wochen in Ruhe gelassen wurden, ehe dann der Inhalt als Balvenie 1401 Batch No. 4 in Flaschen gefüllt in den Handel kommen soll. David nahm davon eine kleine Probe mit zum abschließenden Tasting im Shop von Balvenie. Hier hatten wir die Möglichkeit, 6 verschiedene Whiskies ausgiebig zu riechen und zu verkosten, unter der kundigen Anleitung von David, dem die Zeit mit uns sichtlich Spaß zu machen schien. Wir durften folgende Abfüllungen probieren: Balvenie 12 Jahre, den 12-jährigen Double Wood, einen Balvenie 15 Jahre Single Barrel, die 21-jährige Port Wood Abfüllung, den bereits erwähnten 1401 Batch No. 4 und die 30-jährige Standardabfüllung des Hauses. Alles tolle Whiskies! Mein Highlight des Tages war der 30-jährige Balvenie, der leider auch seinen Preis hat: £350 die Flasche! Nach herzlicher Verabschiedung und bei strahlendem Sonnenschein schlenderten wir mit neuen Eindrücken zurück zum Parkplatz und machten uns gegen 13:45 Uhr auf den Weg nach Elgin.
In dieser Stadt war richtig was los und wir hatten einige Mühe, einen Parkplatz für unseren Van zu finden. Wir beschlossen kurzer Hand, uns in dem Cafe Ecosse zu stärken, bevor es dann pünktlich um 15 Uhr bei Gordon & MacPhail zu einem privaten Tasting ging. Nach einem herzlichen Empfang begleitete uns Nicole, eine junge Dame mit deutschen Wurzeln, in einen Tasting-Raum im 1. Stock, wo bereits 5 leckere Abfüllungen auf uns warteten. Nicole führte uns mit ihrer sehr sympathischen Art zunächst in die Geschichte von Gordon & MacPhail ein. Seit der Gründung im Jahre 1895 befindet sich das Stammhaus dieses schottischen unabhängigen Abfüllers in Elgin und ist im Familienbesitz der Urquharts. Seit 1993 ist Gordon & MacPhail mit Benromach zudem stolzer Destilleriebesitzer. Es gibt eine große Anzahl unterschiedlicher Abfüllungsserien, wie z.B. Connoisseurs Choice, Private Collection, MacPhail’s Collection, Pride of the Regions und Rare Old. Die Lagerhäuser in Elgin enthalten vermutlich die größte Kollektion von Malzwhisky in der Welt. So wurden im Jahre 2010 ein 70-jähriger Mortlach und ein Jahr später ein ebenfalls 70-jähriger Glenlivet von Gordon & MacPhail auf den Markt gebracht. Nach einem 40-jährigen Caperdonich von 1969 aus der Connoisseurs Choice Serie probierten wir einen 30-jährigen Strathisla, der mir persönlich sehr gut schmeckte. Anschließend verköstigten wir noch zwei Benromachs, den Port Wood Batch 2 mit 50% und eine 9-jährige Bourbon Cask Abfüllung in Fassstärke (59.9%) und hatten noch zum Schluss einen leckeren Linkwood 15 Jahre von 1991 im Glas. Das Tasting war sehr kurzweilig und Nicole glänzte nicht nur mit ihrem großen Whiskywissen, sondern auch mit einer guten deutschen Aussprache. So konnte sich Harry bei der nur wenig notwendigen Übersetzung auch ganz gut entspannen. Nach herzlicher Verabschiedung und ein paar kleinen Einkäufen in der Whisky- und Feinkostabteilung von Gordon & MacPhail, verließen wir so gegen 17 Uhr Elgin und machten uns über Forres auf den Weg nach Grantown-on-Spey, wo wir uns so gegen 18:15 Uhr bei einem dunklen Bier am gemütlichen Torffeuer auf unser letztes 4-Gänge-Menü vorbereiteten. Sonia überraschte uns mit Parmaschinken auf Melone, einer Blumenkohlsuppe mit Gemüse und, als Hauptgang, Hähnchenbrust gefüllt mit Haggis, dazu Kartoffelbrei und Erbsen. Das war das 4. köstliche Abendessen, wobei der Nachtisch ebenfalls toll aussah und laut meinen Reisekollegen auch vorzüglich schmeckte. Wir vereinbarten mit William für den nächsten Morgen einen Frühstückstermin um 5:50 Uhr und machten uns dann leider auf, die Koffer zu packen.
Freitag, 21. Oktober 2011
Der Tag des Abschiednehmens war gekommen. Wie vereinbart, servierten Sonia und William kurz vor 6 Uhr morgens unser Frühstück und eine halbe Stunde später machten wir uns nach herzlicher Verabschiedung, noch im Dunkeln, auf den Weg zurück nach Aberdeen. Der Morgen brach nur sehr zögerlich an und gegen 8:30 Uhr erreichten wir pünktlich unsere Mietwagenstation. Wir wurden wieder zurück zum Flughafen gefahren, wo wir dann auf unseren Flug nach Amsterdam warteten. Voller Wehmut stieg ich in die KLM-Maschine ein und atmete vorher nochmals tief schottische Luft ein, bevor es dann mit ein paar Minuten Verspätung Richtung Süden losging.
Fazit:
Diese Whisky-PUR-Tour in die Highlands war ein tolles Erlebnis. Ich habe viele nette Menschen und die Herzlichkeit der Schotten kennengelernt, mich in unserer kleinen, harmonischen Reisegruppe sehr wohl gefühlt und viel über Single Malt Scotch Whisky erfahren. Man lernt bei jedem Destilleriebesuch immer etwas Neues dazu. Die Tour war bestens organisiert und ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Harry und Hans, dem Organisator im Hintergrund, sowie an Sonia und William für den unvergesslichen Aufenthalt in ihren tollen Hotel. Ich hoffe, dass es dieses Mal nicht wieder über drei Jahre dauern wird, bis ich ins „gelobte Whiskyland“ zurückkehren werde.