Einleitung
Whisky verdankt seinen einzigartigen Charakter nicht nur den Destillationsmethoden und der jahrelangen Fassreifung, sondern bereits dem ersten Verarbeitungsschritt: dem Mälzen der Gerste. Doch warum muss Gerste überhaupt gemälzt werden? Welche Risiken sind beim Mälzen zu beachten, und wie hat sich die Auswahl der Gerstensorten im Laufe der Zeit verändert?
Warum Gerste?
Getreide ist die notwendige Grundzutat für die Whiskyproduktion. Für Single Malt Whisky muss nach gesetzlichen Richtlinien gemälzte Gerste als Grundstoff verwendet werden. Obwohl Gerste weniger Stärke als Mais enthält (ca. 64 % vs. ca. 72 %), bietet der hohe Enzymgehalt von gemälzter Gerste entscheidende Vorteile für die Whiskyherstellung.
Warum muss Gerste gemälzt werden?
Der Prozess des Mälzens dient dazu, die in der Gerste gespeicherte Stärke in gärfähige (= fermentierbare) Zucker umzuwandeln, die später von Hefe zu Alkohol verarbeitet werden können. Rohgerste enthält komplexe Kohlenhydrate (hauptsächlich Stärke), die für Hefe nicht direkt zugänglich sind. Stoffe können von der Hefe nur dann umgesetzt werden, wenn sie durch die Zellwand in das Innere der Hefezelle gelangen. Stärke ist ein Polysaccharid, also ein großes, komplexes Kohlenhydrat, das für die Hefe zunächst nicht zugänglich ist. Denn das Stärkemolekül ist schlichtweg zu groß, um die Zellwand zu passieren. Durch das Mälzen werden Enzyme im Gerstenkorn aktiviert, die diese Stärke in kleinere, vergärbare Zucker wie Maltose und Glucose abbauen. Diese können durch die Zellwand – manchmal mit der Hilfe von speziellen „Schleusermolekülen“ – ins Innere der Hefezelle gelangen. Ungemälzte Gerste hingegen hat keine ausreichende eigene Enzymaktivität, um die Stärke abzubauen.
Der Mälzprozess im Überblick
Der Mälzprozess besteht aus drei Hauptphasen: dem Weichen, der Keimung und dem Darren. Während des Weichens wird die Gerste in Wasser eingeweicht, um den Keimungsprozess zu starten. In der Keimphase beginnt das Korn zu wachsen, und Enzyme wie Amylasen, die Stärke abbauen, sowie Endopeptidasen, die Proteine zu kleineren Peptiden und Aminosäuren zerlegen, werden gebildet bzw. aktiviert. Beim abschließenden Darren wird der Keimungsprozess durch Hitze gestoppt. Wichtig ist hierbei besonders die Temperatur so gering wie möglich zu halten und einen ausreichend hohen Luftstrom zu gewährleisten.
Was sind Enzyme?
Enzyme sind spezielle Proteine, die als Biokatalysatoren chemische Reaktionen beschleunigen, ohne selbst verbraucht zu werden. Sie senken die für chemische Reaktionen benötigte Aktivierungsenergie und ermöglichen so effiziente Stoffwechselprozesse. Die Aktivität der Enzyme hängt jedoch stark von Temperatur, pH-Wert und Feuchtigkeit ab. Typisch für Enzymnamen ist die Endung „-ase“.
Die Rolle der Enzyme beim Mälzen
Beim Mälzen sind vor allem die Enzyme alpha- und beta-Amylase wichtig, die die Stärke in vergärbare Zucker wie Maltose und Glucose umwandeln. Zusätzlich spielen Proteasen beim Abbau von Proteinen eine wichtige Rolle. Sie setzen nämlich Aminosäuren frei, die für die Hefeernährung wichtig sind. Spezielle Enzyme wie Glucanasen unterstützen den Abbau von Zellwandbestandteile, um die Stärke für Amylasen besser zugänglich zu machen.
Risiken und Herausforderungen beim Mälzen
Wichtige Parameter während der Keimung müssen durchgehend kontrolliert werden. Zu nennen wären hier insbesondere eine optimale Feuchtigkeit, eine ausreichende Luftzufuhr sowie die Abführung von Kohlenstoffdioxid (CO2) und überschüssiger Wärme. Denn das Gerstenkorn veratmet beim Keimen Glucose und Sauerstoff und bildet dabei CO2, Wasser und Energie, die in Form von Wärme abgegeben wird. Ein unkontrollierter Mälzprozess kann zu erheblichen Verlusten führen. Zu lange Keimung kann zu übermäßigem Stärkeabbau und dadurch zu Verlusten bei der Alkoholausbeute führen. Eine zu kurze Keimung hingegen hat eine zu geringe Bildung von notwendigen Enzymen zur Folge. Auch Schimmelbefall bei zu hoher Feuchtigkeit kann die Ausbeute mindern und das Malz unbrauchbar machen.
Traditionelle und moderne Gerstensorten
Historisch wurden Gerstensorten wie Proctor, Maris Otter und Golden Promise verwendet, die sich durch hohe Enzymaktivität und spezifische Aromaprofile auszeichnen. Heute dominieren ertragreichere Hybrid- und Zuchtsorten wie Concerto und Laureate, die auf Hochleistung getrimmt sind. Ertragsmaximierung, Krankheitsresistenz und eine kontrollierte Enzymaktivität stehen dabei ganz im Vordergrund. Dennoch gibt es für die Herstellung von Spezialabfüllungen eine Rückbesinnung auf die alten Sorten, wie Bere Barley (z. B. Bruichladdich) oder Maris Otter (z. B. Glenmorangie Tùsail).
Trocknungsarten beim Darren
Der Zweck des Darrens besteht darin, die Keimung zu beenden und dem Malz die Feuchtigkeit zu entziehen, damit es gelagert werden kann, ohne zu verderben. Dies gelingt durch die Verwendung von Heißluft oder Rauch. Während Heißlufttrocknung eine neutrale Aromatik bietet, verleiht die Verwendung von Torfrauch dem Malz ein charakteristisches rauchiges Aroma durch die Bildung verschiedener Phenol-Derivate. Wichtig ist hierbei, die Temperatur genau zu regulieren, um die Enzymaktivität nicht zu zerstören. Da die Biokatalysatoren nicht hitzestabil sind, kann eine zu hohe Temperatur zu späteren Ausbeuteverlusten führen. Zudem wird bei hohen Temperaturen das Malz teilweise karamellisiert, wodurch Spezialmalze mit einem besonderen Geschmack entstehen. Bei der Verwendung von diesen Spezialmalzen in einer Malzmischung ist jedoch deren eingeschränkte Enzymaktivität zu berücksichtigen.
Fazit
Das Mälzen von Gerste ist ein komplexer, aber entscheidender Prozess für die Whiskyherstellung. Durch präzise Steuerung der Bedingungen werden optimale Enzymaktivitäten erreicht, während Verluste vermieden werden. Die Auswahl der Gerstensorte und die Art der Trocknung spielen hierbei eine ebenso wichtige Rolle wie das tiefgehende Verständnis der biochemischen Prozesse.