Die Maillard-Reaktion bei der Whiskyherstellung

Einleitung

Warum duften frisch geröstetes Brot, gebratenes Fleisch oder ein gereifter Whisky so verlockend? Die Antwort liegt in einer faszinierenden chemischen Reaktion, die Aromen und Farbstoffe entstehen lässt – der Maillard-Reaktion. In der Whiskyproduktion trägt sie maßgeblich zur Entwicklung des Geschmacksprofils bei und beeinflusst viele der charakteristischen Aromen und Farbnuancen. Doch wann genau findet die Maillard-Reaktion im Herstellungsprozess statt? Welche chemischen Verbindungen entstehen, und wie prägen sie den Geschmack des Whiskys?

Ursprung und Namensgebung

Die Reaktion wurde nach dem französischen Arzt und Chemiker Louis-Camille Maillard (1878–1936) benannt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts untersuchte er, wie Aminosäuren – kleine Bausteine, aus denen der Körper Eiweiß bildet – mit Zuckern reagieren, um die chemischen Prozesse im menschlichen Organismus besser zu verstehen. 1912 veröffentlichte Maillard seine ersten Ergebnisse, in denen er die Bildung von braunen Verbindungen bei der Erhitzung von Aminosäuren und Zuckern beschrieb. Seine Arbeit legte den Grundstein für das Verständnis der Geschmacksentwicklung bei vielen Kochprozessen und in der Lebensmittelherstellung.

Was ist die Maillard-Reaktion?

Die Maillard-Reaktion ist eine sogenannte „nicht-enzymatische Bräunungsreaktion“, die ohne den Einsatz von Enzymen abläuft. Sie findet zwischen Aminosäuren und reduzierenden Zuckern wie beispielsweise Glucose oder Fructose statt. Dabei entstehen eine Vielzahl von Farb- und Aromastoffen. Während hohe Temperaturen von etwa 140 °C die Reaktion beschleunigen, kann sie auch bei niedrigeren Temperaturen ablaufen – nur langsamer.

Wo findet die Maillard-Reaktion in der Whiskyherstellung statt?

Die Maillard-Reaktion beeinflusst das Aroma von Whisky an mehreren Stationen des Herstellungsprozesses, insbesondere dort, wo Hitze eine Rolle spielt:

(1) Darren des Malzes

Beim Trocknen des gekeimten Getreides in Darrenöfen (Kiln) entstehen durch die Hitze zahlreiche Maillard-Produkte. Besonders intensiv ist dieser Effekt, wenn Torfrauch verwendet wird, da er phenolische Aromen hinzufügt.

 

(2) Maischen des Malzschrotes

Während des Maischens werden durch enzymatische Prozesse Stärke in Zucker und Proteine in Aminosäuren umgewandelt (siehe Teil 1: Das Mälzen von Gerste). Obwohl die Temperaturen hier niedriger sind als beim Darren oder der Destillation, laufen dennoch langsam erste Maillard-Reaktionen ab, die Aromavorstufen bilden.

 

(3) Destillation

Während der Destillation kommt es aufgrund der Hitzeeinwirkung zu weiteren Maillard-Reaktionen – insbesondere, wenn die kupfernen Brennblasen direkt befeuert werden (z. B. bei Glenfiddich, Yamazaki). Denn höhere Temperaturen und heiße Oberflächen begünstigen hierbei die Reaktionen zwischen Aminosäuren und Zuckern.

 

(4) Thermische Behandlung der Fässer

Beim Toasten und Auskohlen („Charring“) der Eichenfässer entstehen ebenfalls aromareiche und farbige Maillard-Produkte. Hier reagieren die freigesetzten Zucker im Holz mit den ebenfalls im Eichenholz vorhandenen Proteinen unter Hitzeeinfluss. Während der Reifung löst das Destillat diese Verbindungen aus dem Holz, wodurch sich komplexe Aromen entwickeln.

Chemische Produkte der Maillard-Reaktion und ihre Aromen

Die Maillard-Reaktion verläuft in mehreren Stufen, wobei zunächst hochreaktive Zwischenprodukte – sogenannte Amadori-Verbindungen (benannt nach dem Chemiker Mario Amadori) – gebildet werden. Diese instabilen Moleküle, die nur sehr kurz bestehen bleiben und sich schnell verändern, wandeln sich weiter um und erzeugen eine Vielzahl von Aromastoffen. Obwohl diese nur in sehr geringen Mengen (zwischen 1 μg/kg und 1 mg/kg) vorkommen, prägen sie aufgrund ihrer niedrigen Geruchsschwelle maßgeblich das Geschmacksprofil des Whiskys.

Die wichtigsten Aromastoffe und ihre Auswirkungen

Die bei der Maillard-Reaktion entstehenden Aromastoffe bestehen hauptsächlich aus sogenannten Carbonyl-Verbindungen, zu denen Aldehyde und Ketone zählen, sowie aus heterozyklischen Verbindungen. Dies sind aus Kohlenstoffatomen zu Ringen (meist sind es Fünf- oder Sechsringe) geformte, chemische Substanzen, bei denen ein oder mehrere Kohlenstoffatome im Ring in der Regel durch Atome wie Stickstoff, Sauerstoff oder Schwefel ersetzt sind. Einige Beispiele sind im Folgenden aufgeführt:

  • Aldehyde (z. B. Isovaleraldehyd): Malzige, getreidige Noten
  • Ketone (z. B. Diacetyl): Butterige, cremige Noten
  • Furane (Kohlenstoffring mit Sauerstoff): Karamell- und Toffee-Aromen
  • Oxazole (Kohlenstoffring mit Sauerstoff und Stickstoff): Würzige, röstige und leicht kakaoartige Noten
  • Pyrrole, Pyrazine (Kohlenstoffring mit Stickstoff): Nussige, röstige Noten, Speckaromen
  • Thiophene (Kohlenstoffring mit Schwefel): Würzige, fleischige Noten
  • Thiazole (Kohlenstoffring mit Schwefel und Stickstoff): Würzige, röstige Noten, leicht brotartige Aromen
  • Melanoidine: Gelbbraune bis schwarze Verbindungen, die für die Farbe verantwortlich sind

Analysen zeigen, dass helle Malzsorten überwiegend sauerstoffhaltige ringförmige Verbindungen (Furane) bilden, die für Toffee- und Karamellaromen sorgen. Dunkle Malzsorten, die beim Darren intensiver erhitzt wurden, enthalten dagegen größere Mengen an stickstoffhaltigen Maillard-Produkten (Pyrrole, Pyrazine), die nussige Aromen verstärken.

Komplexität der Maillard-Reaktion

Je nach Ausgangsstoffen entstehen bei der Reaktion von Aminosäuren mit Zuckern eine Vielzahl von Verbindungen. So wurden bei der Umsetzung von Glucose (Traubenzucker) mit der Aminosäure Glycin bereits 24 verschiedene Verbindungen identifiziert. Bei Xylose – einem Zucker, der natürlich im Holz vorkommt – mit Glycin konnten sogar über 100 Maillard-Produkte nachgewiesen werden. Diese enorme Vielfalt erklärt die Tiefe und Komplexität der Aromen im Whisky.

Die Maillard-Reaktion im Alltag

Nicht nur Whisky verdankt der Maillard-Reaktion seine Aromen – sie begegnet uns täglich in zahlreichen Lebensmitteln:

  • Brotbacken: Die Kruste erhält ihre goldbraune Farbe und ihr typisches Aroma durch die Reaktion zwischen Mehlproteinen und Zuckern.
  • Kaffee- und Kakaoröstung: Die intensiven Röstaromen entstehen durch Maillard-Produkte.
  • Fleisch anbraten: Die appetitliche Bräunung und der Umami-Geschmack gebratener Steaks sind Resultate der Maillard-Reaktion.
  • Geröstete Nüsse und Kartoffeln: Hier entstehen die typischen Röst- und Karamellnoten.

Die gleiche Reaktion, die ein Steak köstlich macht, sorgt auch für die tiefen, karamelligen Noten in einem in getoasteten Fässern gereiften Whisky.

Fazit

Die Maillard-Reaktion ist ein Schlüsselfaktor in der Whiskyherstellung, der durch Hitze, Zeit und Rohstoffe gesteuert wird. Sie beeinflusst maßgeblich die sensorischen Eigenschaften des Endprodukts und trägt zur Vielfalt der Whisky-Aromen bei. Ihr Ursprung reicht zurück zu den Forschungen von Louis-Camille Maillard, doch ihre Bedeutung geht weit über die Wissenschaft hinaus – sie verbindet Chemie mit Genuss und spielt eine zentrale Rolle in der Welt der Lebensmittel und Getränke.