Die Reifung im Eichenfass

 

Es gibt derzeit 98 Malt-Destillerien in Schottland. Jeder New Spirit ist einzigartig und unterscheidet sich in seiner chemischen Zusammensetzung von Destillerie zu Destillerie. Dieses farblose Destillat enthält bereits einige der Verbindungen, die im finalen Aroma des gereiften Whiskys enthalten sind, wie langkettige Alkohole, Phenole, Ester, Lactone, Aldehyde, Fuselöle, Schwefel- und Stickstoff-haltige Verbindungen. Aber die wirklich interessanten Dinge geschehen im Holzfass, in dem der Whisky seinen einzigartigen und runden Geschmack bekommt. Während der Fassreifung versucht man die Balance zwischen dem Spiritcharakter und dem Reifungscharakter zu finden.

 

Nicht wenige Brenner glauben, dass bis zu 60-80% der Geschmacksbestandteile im fertigen Scotch Malt Whisky von der Fassreifung und speziell vom verwendeten Eichenholz herrühren. Das ist ganz und gar nicht verwunderlich, bleibt doch der New Spirit im Schnitt 10 Jahre und länger im Fass, bevor in Flaschen abgefüllt wird. Während dieser langen Phase hat der heranreifende Whisky viel Zeit, eine intensive Wechselwirkung mit dem Holz einzugehen. Hat man je das frische Destillat aus dem Spirit Safe gekostet und im Vergleich dazu den entsprechenden 10-jährigen Single Malt, dann tun sich doch enorme Geschmacksunterschiede auf. Der gereifte Whisky ist viel weicher, angenehmer und runder geworden und die unangenehmen Geruchs- und Geschmacksstoffe im New Spirit sind verschwunden oder zumindest deutlich weniger wahrnehmbar. Während des Reifeprozesses werden verschiedene Aromen durch den Alkohol aus dem Eichenholz herausgelöst, im Gegenzug werden unerwünschte Verbindungen im New Spirit an das Holz abgegeben. Mit dem Sauerstoff aus der umgebenden Luft im Lagerhaus entsteht durch chemische Reaktionen eine Vielzahl neuer Verbindungen, die zu einem komplexen Aromaspektrum im Whisky führen. Daher ist es nur allzu verständlich, dass es bei der Wahl des Holzes auf höchste Qualität ankommt und dem Holzmanagement in der jeweiligen Destillerie enorme Bedeutung beigemessen wird.

 

Warum gerade Eichenholz?

Eiche gilt als reines Holz, welches keine Harzkanäle enthält. Das Fehlen dieser Harzkanäle ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen werden keine unerwünschten Aromen vom Holz an das frische Destillat abgegeben und zum anderem verleiht es dem Holz Porosität und ermöglicht somit die „Atmung“ des Fasses, die für die Reifung des darin enthaltenen Whiskys unentbehrlich ist. Zudem ist Eichenholz biegsam und dabei äußerst beständig, wobei es viele Jahrzehnte lang verwendet werden kann. Holz aus Eichenstämmen mit einem Alter von 80 bis 200 Jahren ist ideal als Rohstoff für ein Whiskyfass geeignet. Das frisch geschlagene Eichenholz muss erst an der Luft für 18 Monate lagern, bevor es weiter verarbeitet wird. Die Feuchtigkeit des Regens, die Wärme der Sonne und die Trocknung durch den Wind lassen das Holz behutsam reifen, wobei unerwünschte, harte Gerbstoffe aus den Zellen gewaschen werden. Durch Enzyme und Mikroorganismen findet im Holz eine chemische Veränderung statt, welche einen entscheidenden Einfluss auf die spätere Whiskyaromatik hat.

In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich gezeigt, dass schottischer Malt Whisky in Bourbonfässern, die aus industriell beschleunigt getrockneten Dauben hergestellt wurden, nur noch sehr langsam heranreifte im Vergleich zu Fässern, die aus natürlich getrocknetem Eichenholz stammten. Dies führte zur sog. „Eichenholz-Spezifikation“ für die schottische Whiskyindustrie, in der ein Anteil von mindestens 75% Dauben aus natürlich getrocknetem Eichenholz im Whiskyfass gefordert wird.

 

Es gibt über 400 verschiedene Eichenarten der Gattung Quercus, von denen sich aber nur rund ein Dutzend für die Lagerung von alkoholischen Getränken eignen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden in Schottland nur zwei Eichenarten für die Lagerung des frischen Destillats, welches später einmal Whisky werden soll, verwendet: die amerikanische Weißeiche (Quercus alba), sowie die europäische Stil- (Quercus robur) und die europäische Traubeneiche (Quercus petraea). Zu den etwas exotischen, aber dennoch wichtigen Eichenarten zählt die japanische Eiche (Quercus mongolica), die hauptsächlich bei japanischen Brennern immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Quercus alba

Die amerikanische Weißeiche hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber den europäischen Eichen. Sie ist ertragreicher, d.h. sie wächst viel schneller und das Holz ist dichter. Aufgrund der geringeren Porosität kann man sie längs sägen. Dadurch fällt beim Herausschneiden der Dauben weniger Verschnitt an. Ein großer Vorteil und eine konstante Quelle an guten Fässern für Schottland ist die amerikanische Produktion von Bourbon. Aufgrund gesetzlicher Regelungen dürfen diese Fässer nur ein einziges Mal befüllt werden. Ein echter Bourbon Whiskey kommt somit immer aus einem neuen Eichenfass, welches zudem vor der Befüllung ausgekohlt wurde. Der geringere Gehalt an Tanninen (siehe unten) in der amerikanischen Weißeiche und das typische Auskohlen der Bourbonfässer sind für die Bildung der begehrten Vanille- und Kokosnussaromen und eine süßere Textur verantwortlich, wenn diese Fässer für die Reifung von schottischem Whisky verwendet werden. Amerikanische Weißeiche hinterlässt zudem nur eine leichte strohfarbene Färbung. Die derzeit 18 Millionen Fässer, in denen schottischer Whisky heranreift, bestehen zu 95% aus amerikanischer Weißeiche!

Quercus robur und Quercus petraea

Europäische Eichen, die hauptsächlich aus Frankreich und Spanien bezogen werden, wachsen hingegen langsamer (ca. halb so schnell) und besitzen dadurch eine geringere Rohdichte im Vergleich zur amerikanischen Weißeiche. Zur Gewinnung der Dauben sollten europäische Eichen nicht gesägt werden, da aufgrund ihrer poröseren Struktur das daraus hergestellte Fass lecken würde. Daher müssen sie sehr viel aufwändiger in der Faserrichtung gespalten werden. Langsam wachsendes Holz hat im Wesentlichen eine etwas andere Innenstruktur, was eine größere, komplexere Aromapalette begünstigt. Europäische Eichen enthalten zudem mehr Tannine als amerikanische Weißeichen und sind im Aroma wesentlich kräftiger und robuster. Zudem verleihen sie dem heranreifenden Whisky eine deutlich dunklere, dem Sherryton ähnelnde Farbe. Die Tannine geben dem Whisky eine charakteristisch raue Note von Trockenheit, die das Gewebe und Schleimhäute zusammenziehen lässt - die sogenannte Adstringenz. Chemisch gesehen bestehen Tannine aus verschiedenen Phenolen, die über unterschiedliche Zuckermoleküle zu einem regelrechten Netzwerk verknüpft sind. Diese Tannine werden vom Holz an den Whisky abgegeben und oft als interessante Leder- oder Walnussaromen wahrgenommen.

Quercus mongolica

Die japanische Eiche, auch bekannt als Mizunara Eiche, kommt im ostasiatischen Raum vor, ist aber in Japan eher seltener anzutreffen. Sie ist bei Küfern aufgrund der Eigenschaft des weichen Holzes und der Neigung zur Undichtigkeit wenig beliebt. Wegen des Mangels an europäischen Sherryfässern musste in Japan nach dem 2. Weltkrieg vermehrt auf den heimischen Rohstoff zurückgegriffen und entsprechende Fässer mit New Spirit gefüllt werden. Jahrzehnte später entdeckte man aber, dass dem Whisky durch die Reifung in japanischen Eichenfässern ein einzigartiges und im Whisky bisher unbekanntes Aromenspektrum verliehen wurde, welches sich von aromatischen Holztönen, wie Sandel-, Zedern- und Adlerholz, bis hin zu Noten von Kampfer, Minze und Kokosnuss erstreckte. Aus diesem Grund kommt heute, bis zu einem gewissen Grad, japanische Eiche in Destillerien in Japan wieder verstärkt zum Einsatz.

 

Welchen Einfluss haben nun die unterschiedlichen Eichenhölzer auf das Aroma und den Geschmack im schottischen Whisky?

Primäre Aromastoffe im Eichenholz

Der Grund für die Unterschiede in Aroma und Geschmack im Whisky liegt u.a. in der chemischen Struktur des verwendeten Holzes und der Interaktion von Holz, Destillat und Umgebungsluft. Die Hauptbestandteile des Holzes sind Cellulose, Hemicellulose und Lignin, wobei die Cellulose mit 40-55% den größten Anteil besitzt. Hemicellulose und Lignin sind prozentual ungefähr gleich verteilt. Hinzukommen noch Tannine und die im Holz enthaltenen Stoffe aus vorherigen Füllungen, wie z.B. Sherry, Port, Wein, etc.

Cellulose, Hemicellulose und Lignin

Die Cellulose ist ein langkettiges Makromolekül, das sich aus einer Vielzahl von Zuckermolekülen zusammensetzt. Die einzelnen Zuckerstränge sind über elektrostatische Bindungen miteinander zu großen (Makro-)Molekülen verbunden.

Im Gegensatz dazu stellt Hemicellulose kein langkettiges Makromolekül dar, sondern ist durch kurze Ketten und Verzweigungen von Zuckermolekülen geprägt. Hemicellulose dient in pflanzlichen Zellen als Gerüstsubstanz der Zellwände.

Lignin besteht aus einer Gruppe von phenolischen Makromolekülen, die sich aus verschiedenen aromatischen Grundbausteinen zu einem dreidimensionalen, amorphen Netzwerk zusammensetzen. Alle diese drei Substanzen per se sind geruchs- und geschmacksneutral.

Quercetin

Quercetin gehört zu den Polyphenolen – sein Name verweist auf eine Beziehung zur Eiche (lateinisch Quercus) – und kommt in höherer Konzentration etwa in Zwiebeln, Äpfeln oder Brokkoli vor. Dem Pflanzenfarbstoff werden starke antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften zugeschrieben.

Tannine

Das Kernholz von europäischen Eichen ist reich an niedermolekularen organischen Inhaltsstoffen, wobei die hydrolysierbaren Polyphenole, insbesondere die Tannine (Gallotannine, Ellagtannine), mengenmäßig die wichtigste Extraktstoff-Fraktion darstellen. Tannine geben dem Eichenholz einen bitteren, holzigen und adstringierenden Geschmack. Sie reagieren mit anderen pflanzlichen Farbstoffen, die ebenfalls im Eichenholz vorkommen, den sogenannten Anthocyanen in Gegenwart von Luftsauerstoff, der während der Lagerung von außen über die Poren des Holzes in das Fass eintritt, zu komplexen polymeren Farbpigmenten, die für die entsprechende Farbe der Whiskys mitverantwortlich sind.

Organische Säuren

Herbe, säuerliche und gallenbittere Aromen werden durch Hydroxyzimtsäuren (wie z.B. Kaffeesäure) hervorgerufen. Andere primäre Bestandteile im Holz sind organische Säuren, die in der Pflanzenwelt stark verbreitet sind, wie z.B. Essigsäure, Benzoesäure und Zimtsäure. Sie verleihen dem Holz einen angenehm sauren, balsamischen und zimtigen Geschmack.

Whiskylacton

Ein wesentlicher und äußerst wichtiger Aromastoff im Eichenholz ist das Whiskylacton (chemisch: cis- und trans-β-Methyl-γ-octalacton), welches aufgrund seiner Herkunft auch Quercus- oder Eichenlacton genannt wird. Es ist ein ringförmiger Ester und stellt die Leitsubstanz für den Eichenholzgeschmack dar. Whiskylacton hat einen angenehmen Geruch und Geschmack, der an Kokosnuss erinnert, wobei amerikanische Weißeiche etwa 20-mal mehr Whiskylacton enthält als die europäischen Eichen. Interessanter Weise findet man im Eichenholz lediglich zwei der möglichen vier stereoisomeren Whiskylactone. Durch Extraktion mit Diethylether konnte die Würzbürger Arbeitsgruppe um Prof. Mosandl 77% (3S,4S)-konfiguriertes cis- und 23% (3S,4R)-konfiguriertes trans-Whiskylacton im Eichenholz nachweisen.

Ionone

Die zur Klasse der Terpen-Ketone gehörenden Ionone kommen in zahlreichen isomeren Formen (α-, β- und γ-Ionon) in bestimmten Früchten und Pflanzen als wichtige Aromabestandteile vor. Ionone stammen aus dem Abbau von den ebenfalls im Eichenholz vorkommenden Carotinoiden - gelben bis roten, fettlöslichen Farbstoffpigmenten pflanzlichen Ursprungs. Einige Ionone riechen vorrangig nach Zedernholz und in geringer Verdünnung veilchenartig, während andere den wunderbaren Duft nach frisch gepflückten Himbeeren verströmen. Ionone sind auch verantwortlich für den Duft von frischem Heu.

Sekundäre Aromastoffe im Eichenholz

Toasten und Auskohlen der Fässer

Von großem Einfluss auf das spätere Whiskyaroma ist das Ausbrennen neuer Fässer, was neben der physikalischen Veränderung des Holzes (Biegsamkeit) wichtige chemische Reaktionen der Holzbestandteile zur Folge hat.

Doch bevor wir uns diesen Prozess genauer ansehen, möchte ich auf einen anderen wichtigen Vorteil des Auskohlens der amerikanischen Eichenfässer eingehen.

 

Schwefelaromen

Die bei der nur wenige Minuten dauernden Behandlung mit großen Brennern und dem anschließenden Ablöschen mit Wasser gebildete, nur 2-4 Millimeter dicke Holzkohleschicht im Inneren des Fasses wirkt später wie ein Aktivkohlefilter und entzieht dem frischen Destillat die unerwünschten Aromen und Geschmacksstoffe, wie z.B. die flüchtigen organischen Schwefelverbindungen. Denn diese Moleküle machen sich bereits in geringster Konzentration durch ihren charakteristischen Geruch nach gekochtem Gemüse, Kohl, Spargel, angezündetem Streichholz bis hin zu faulen Eiern unangenehm bemerkbar. Sie haben ihren Ursprung in eigentlich jeder Phase der Whisky-Produktion. Als primäre Schwefelquelle gelten dabei die natürlichen Aminosäuren Cystein und Methionin, die in den Proteinen der Gerste enthalten sind. Während des Produktionsprozesses - insbesondere der Fermentation und Destillation (siehe dort) - werden daraus durch zahlreiche chemische Reaktionen eine Fülle von schwefelhaltigen Verbindungen gebildet, die die Holzkohleschicht im Eichenfass während der Reifezeit nun herausfiltert.

Furanderivate

Wie bereits erwähnt, zieht das Ausbrennen neuer Fässer wichtige chemische Reaktionen der Holzbestandteile nach sich. Die großen, vernetzten Zuckermoleküle der Hemicellulose werden beim Rösten bzw. Toasten der Eichenfässer in kleinere Zuckerbausteine aufgespalten und karamellisiert. Hemicellulose sorgt somit für die Süße und die Farbe im Whisky. Diese gebildeten, kleineren Zuckermoleküle können ihrerseits weiter zu Furanderivate abgebaut werden, wie z.B. Furfural und 5-Hydroxymethylfurfural, welche für feine Mandel-, Karamell- und Aromen nach geröstetem Schwarzbrot verantwortlich sind.

Vanillin

Aus dem anderen Holzbestandteil Lignin entsteht durch die Wärmebehandlung des Holzes eine Fülle verschiedener aromatischer Verbindungen, wie z.B. Vanillin und Guajakol, die die charakteristischen und geschätzten Vanille- und Gewürzaromen beisteuern. Die organische Verbindung Vanillin gehört zur Familie der Orchideengewächse, das aus deren fermentierten Kapseln gewonnen wird. Vanillin ist eines der charakteristischen Elemente im Whisky. Es ist bereits in äußerst geringen Konzentrationen wahrnehmbar, wobei der Geruch, unabhängig von der steigenden Konzentration an Vanillin, nicht merklich zunimmt.

Phenole

Für viele sind die rauchigen und torfigen Aromen, wie sie gerade in den Insel-Malts ausgeprägt sind, am leichtesten zu identifizieren. Die ‘Rauchigkeit’ eines Whiskys wird durch die Phenole und Cresole bestimmt, die durch die Verbrennung von Torf entstanden. Je stärker das Malz beim Darren getorft wurde, umso deutlicher ist das Aroma im fertigen Malt. Allerdings ist Torf nicht die einzige Quelle für diese Geschmackskomponenten. Auch Abbauprozesse im Fassholz können zum Entstehen von Phenolen und damit einem rauchigen, torfigen Aroma beitragen. Durch die thermische Behandlung des Holzes bilden sich aus Lignin Phenolderivate wie z.B. 4-Ethyl- und 4-Vinylphenol. Dies sind Abkömmlinge der para-Cumarsäure und riechen holzig, rauchig und verleihen dem Whisky würzige Aromen. 4-Vinylphenol kommt in der Natur u.a. im Stechapfel vor. Im Zuge des Ausbrennens von Eichenholz entsteht auch das Eugenol, welches natürlich in Gewürznelkenöl vorkommt und dem antiseptische, antibakterielle sowie schmerzstillende Eigenschaften nachgesagt werden. Chemisch gesehen basieren alle Phenole auf dem Benzol-Molekül. Dieses Kohlenwasserstoff-Molekül besteht aus einem Ring von 6 Kohlenstoffatomen, welches jeder ein Wasserstoffatom trägt. Phenole sind äußerst beständig – sie hängen sich beim Darren an die gemälzte Gerste, lösen sich im heissen Wasser während des Maischens, überstehen die Fermentation und den Destillationsprozess, und dann, nach 10 oder 20 Jahren im Fass, sind sie immer noch anwesend. Die Intensität des Phenolgeschmacks bleibt von Beginn an jedoch nicht konstant. Der ppm-Anteil (parts per million) an Phenol nimmt im Laufe des Herstellungs- und Reifeprozesses kontinuierlich ab.

Guajacol-Derivate

Ein weiterer thermischer Abbauweg des Lignins findet über die Ferulasäure statt, einer organischen Verbindung, die auch in vielen Pflanzen wie z.B. Dill, Reis und Gräsern vorkommt. Aus dieser organischen Phenolsäure entstehen aromatische Aldehyde (oxidierte Alkohole) wie 4-Vinyl-, 4-Methyl- und 4-Ethylguajacol, die mit einem Geruch nach Kaminluft, sowie mit rußigen Holz- und Specknoten auf sich aufmerksam machen. Weitaus angenehmere Aromen bilden sich über die chemische Verbindung Syringaldehyd. Diese Substanz gehört ebenfalls zur Klasse der aromatische Aldehyde, besitzt jedoch einen angenehmen, an Waldbeeren erinnernden Duft und Geschmack.

Der Einfluss von Luftsauerstoff

Ein weiterer wichtiger, nicht zu unterschätzender Faktor für die Aromenbildung und-gestaltung ist die Oxidation, d.h. die chemische Reaktion mit Luftsauerstoff. Das im Vergleich zu anderen Holzsorten porösere Eichenholz erleichtert die Zufuhr von Luftsauerstoff aus der äußeren Umgebung des Fasses. Die Oxidation fördert die Komplexität und Intensität angenehmer Aromen im Whisky, insbesondere die zarten, fruchtigen, gewürztönigen und minzigen Noten. Diese entstehen aus einer komplexen Folge chemischer Prozesse. Winzige Spuren von Kupfer, die während der Destillation aus der Brennblase in das frische Destillat gelangen, dienen dabei als Katalysator. Die Kupferatome wandeln den Luftsauerstoff in Wasserstoffperoxid um, ein starkes Oxidationsmittel, welches man u.a. auch als Bleichmittel für die Haare kennt.

Aldehyde und Ester

Wenn Alkohol der Luft ausgesetzt wird, so entzieht der Luftsauerstoff dem Alkohol zwei Wasserstoffatome (Hydrogen). Man spricht bei diesem Oxidationsprozess dann auch von Dehydrierung und bezeichnet diese Klasse von oxidierten Alkoholen als Aldehyde. Die Verbindung, die sich durch Dehydrierung von Ethanol - dem Trinkalkohol, der allgemein als Alkohol bezeichnet wird - bildet, nennt man Acetaldehyd. Dieser kommt in der Natur in vielen Früchten (Beeren) und Gemüsesorten vor, sowie in Wein, wo er durch den Einfluss von Hefen und Sauerstoff gebildet wird. Acetaldehyd kann weiter oxidiert werden zu Essigsäure. Diese bildet sich ebenso, wenn Bier oder Wein sauer werden. Zudem stellt die Säure den Hauptbestandteil im Essig dar. Chemische Reaktionen von Alkoholen mit Säuren führen zu einer neuen Verbindungsklasse, den sog. Estern. Ester bilden sich hauptsächlich bei der Fermentation, aber auch während der Fassreifung. Ester sind die Stars in der Whiskywelt, sie sind essenziell für einen attraktiven Geruch. In Malz-Whisky wurden weit über 100 verschiedene Esterverbindungen identifiziert, die hauptsächlich für die Fruchtaromen verantwortlich sind. Da Ethanol den Hauptbestandteil in Whisky und Essigsäure primär die daraus gebildete Säure darstellen, ist Ethylacetat (auch Essigsäureethylester genannt) der am häufigsten gefundene Ester im Whisky. Ethylacetat sowie Amylacetat sind auch gebräuchliche organische Lösungsmittel in der Industrie. Sie finden häuptsächlich als Lösungsmittel in Klebstoffen sowie Nagellacken Verwendung. Somit ist es nicht verwunderlich, dass man bei manchen Whiskies den intensiven Geruch von Klebstoff wahrnimmt, eben hervorgerufen durch Ethylacetat. Amylacetat ist das chemische Produkt aus Amylalkohol und Essigsäure und hat den fruchtigen Geruch nach reifen Birnen. Die Anwesenheit dieses Esters ist ein Indikator für einen gut gemachten und gereiften Whisky.

Resümee

Der weltbekannte Whiskyautor und „Keeper of the Quaich“ Charles MacLean schreibt über die Reifung des Whiskys im Eichenfass: „Die Fasslagerung erhöht die Komplexität des Whiskys, verleiht ihm mehr Duft, Feinheit, Farbe, Tannine und andere Aromen.“

Der Chemiker und Fass-Experte Dr. James Swan drückte diesen Prozess so aus: "Die Verwandlung, die während der Fassreife stattfindet, gleicht der Metamorphose einer Raupe in einen Schmetterling."