Aromenbildung durch Fermentation
Den Teil der Whiskyproduktion, in dem Zucker in Alkohol umgewandelt wird, nennt man Fermentation oder Fermentierung (lat. fermentum „Gärung“). Die Würze (engl. Wort) wird nach dem Maischen auf ca. 18-20°C abgekühlt und in großen Gärbottichen (engl. Washbacks) mit Hefe versetzt. Diese Gärbottiche bestehen traditioneller Weise aus Holz (Lärche, Pinie), wobei heutzutage mehr und mehr Edelstahl verwendet wird. Obwohl Holz viel schwieriger zu reinigen ist, schwören einige Destillerien dennoch auf den positiven Effekt, den das Holz auf die fermentierte Würze hat. Dies geht sogar soweit, dass beim Austausch der Gärbottiche wieder das gleiche Holz verwendet wird, um den etablierten Charakter des New Spirit nicht zu verändern. Die Gärbottiche variieren sehr stark in den schottischen Destillerien von ca. 1000 Liter (z.B. bei Edradour) bis hin zu 70000 Litern, die gewöhnlich zu gefüllt werden. Nach Zugabe von Hefe wird der gelöste Zucker in Alkohol umgewandelt.
Hefen zählen zu den Schlauchpilzen (Ascomyceten), der mit 20.000 Arten größten Gruppe der Pilze. Sie bestehen nur aus einer einzigen Zelle. Diese Mutterzelle bildet bei der Sprossung mehrere Ausstülpungen, Tochterknospen, die abgeschnürt werden, selbstständig lebensfähig sind und ihrerseits neue Zellen bilden können. Hefen können sowohl als Atmer als auch als Gärer leben. In Gegenwart von Luftsauerstoff (aerobe Bedingungen) gedeihen Hefen prächtig, indem sie Zucker zu Kohlendioxid (CO2) und Wasser veratmen und dabei Energie gewinnen, die sie zum Wachsen und Aufbau neuer Zellen verwenden. Stoppt man jedoch die Luftzufuhr (anaerobe Bedingungen), so schaltet die Hefe ihren Stoffwechsel auf das Notprogramm Gärung um. Dabei verbraucht die Hefe wesentlich mehr Zuckermoleküle als unter aeroben Bedingungen, um die Energieverluste zu kompensieren. Die Gärung hilft der Hefe, lebensfeindliche Zeiten zu überbrücken. Unter Sauerstoffmangel wird also letztlich Glucose (C6H12O6) unvollständig zu Alkohol, genauer Ethanol (C2H5OH) und CO2 verbrannt. Unter aeroben Bedingungen entstehen aus einem Molekül Glucose 38 Moleküle des für die Zellen wichtigen Energiemoleküls ATP (Adenosintriphosphat), hingegen werden bei Sauerstoffmangel lediglich 1-4 Moleküle ATP gebildet. Dies reicht jedoch für die Hefe aus um zu überleben.
Im Gegensatz zu uns ist Alkohol für die Hefe also kein Genuss, sondern stellt vielmehr eine Notmaßnahme dar. Hefen bilden Alkohol jedoch nur bis zu einer bestimmten Konzentration, bei einem zu hohen Alkoholgehalt beginnen sie abzusterben.
Dieser Prozess wird in drei Abschnitte unterteilt. Während der ersten, aeroben Phase vermehren sich die Hefezellen durch Zellteilung, verbrauchen dabei den in der Würze gelösten Sauerstoff und bilden CO2. Dadurch wird die Umgebung für die Hefezellen infolge des Sauerstoffmangels zunehmend bedrohlicher. In dieser zweiten, nun anaeroben Phase benötigt die Hefe mehr Sauerstoff und bekommt diesen von den Zuckermolekülen (Glucose oder Maltose). Bei der Verwertung von Zucker entstehen noch mehr CO2, Alkohol und verschiedene Geschmacksstoffe. Im Gegensatz zur Bierherstellung verläuft dieser Prozess nicht unter sterilen Bedingungen ab, sodass wilde Hefepilze (z.B. vom Malz) ebenfalls einen Beitrag zu den verschiedenen Aromastoffen leisten können. Nach ca. 40 Stunden hat die Hefe den Zucker aufgebraucht, stirbt ab und sinkt zu Boden. Nun tritt die dritte Phase der Fermentation durch verschiedene Bakterien, hauptsächlich Milchsäurebakterien (Lactobacillus), ein. Diese stehen nun nicht mehr mit der Hefe in Konkurrenz und können daher ihren Beitrag zu den Aromen leisten. Infolge der Freisetzung des Gärproduktes Milchsäure sinkt der pH-Wert der Wash, bestehende Aromen werden verstärkt und neue gebildet. Diese Aromen stammen hauptsächlich von Estern, die fruchtige und blumige Noten hervorbringen. Diese dritte Phase trägt auch den Namen malolaktische Fermentation. Bei zu langer Dauer dieser dritten Fermentationsphase sinkt der pH-Wert zu tief, sodass die Wash sauer wird und nicht mehr weiter verwendet werden kann. Üblicher Weise dauert die Fermentation 48 bis 120 Stunden, wobei eine bierähnliche Flüssigkeit mit einem Alkoholgehalt von 5% bis 8% entsteht. Ca. 85% des Zuckers werden in Alkohol umgewandelt, die restlichen 15% gehen mit der Wash in die 1. Destillation in die Wash-Still.
Bis in den früheren 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es nur einen Typ an Hefe, der verwendet wurde – nämlich die Brauerhefe. Obwohl diese Hefe im Vergleich zu modernen Hefestämmen Zucker weniger effizient in Alkohol umwandelte, trugen der restliche Zucker und die entstandenen Ester maßgeblich ihren Anteil zu den Aromen im Whisky bei. Die Suche nach effizienteren Hefestämmen, die in der Lage sind, mehr Alkohol zu produzieren, führte schließlich zu Destillierhefen. Diese ergaben zwar höhere Alkohol-ausbeuten, man befürchtete jedoch, dass sich der Geschmack des Whiskys zu sehr verändern könnte. Seit 2005 war Brauereihefe außerhalb der Brauindustrie nicht verfügbar, selbst wenn die Destillerien es gewollt hätten. Dies führte dazu, dass man sich intensiver wissenschaftlich mit dem Thema „Ersatz für Brauerhefe“ auseinander zu setzen begann. Je nach Whisky verwenden die Brennereien verschiedene Hefen, die den Alkoholgehalt, aber auch das Aroma und den Geschmack beeinflussen können. Heutzutage wird Hefe entweder in trockener bzw. gepresster Form oder als flüssige Aufschlämmung eingesetzt.
Der Brauer ist für die Fermentation und der damit verbundenen Bildung von verschiedenen Aromastoffen im angehenden Whisky zuständig. Die entscheidenden Faktoren, welche einen Einfluss auf die Aromenbildung in der Wash haben, sind Fermentationsdauer, Temperatur und Alkoholgehalt. Eine Fermentationsdauer von mindestens 60 Stunden wird von den Experten als notwendig erachtet, damit durch die, sich der zweiten Fermentationsstufe anschließende, malolaktische Gärung der spätere Whisky ein gewisses Maß an Komplexität erhält. Diese kontrollierte, bakterielle Nachgärung darf jedoch nicht zu lange erfolgen, da infolge der Senkung des pH-Wertes die Wash ungenießbar werden und mit zunehmender Dauer der 3. Fermentationsphase die Alkoholausbeute sinken würde.
Welche Einflussgrößen sind maßgebend für die Anwesenheit von Bakterien?
a) Die gemälzte Gerste - sie trägt eine Vielzahl von Mikroben auf der Oberfläche, u.a. verschieden Arten von Lactobazillen und wilder Hefen.
b) Material der Washbacks (Holz oder Edelstahl) und der damit verbundenen Hygiene und dem Reinigungsprozedere, wobei Holz deutlich schlechter zu reinigen ist als Edelstahl.
c) Dauer der Fermentation
Bakterien überleben Temperaturen von bis zu 90°C beim Mashing-Prozess. Fügt man nun der Würze Hefe zu, so konkurriert diese mit Lactobazillus um den Zucker und andere Nährstoffe. Die Hefe stellt zunächst den Sieger dar (Wachstumsphase). Mit steigendem Alkoholgehalt und zunehmender Temperatur jedoch kann sich die Hefe nicht mehr teilen und stellt ihren Metabolismus schließlich ein. Als Konsequenz stirbt die Hefezelle ab und lysiert, d.h. die Zellwände lösen sich auf und die Inhaltsstoffe der Hefezellen gelangen in die Würze. Dies ist ein entscheidender Schritt für die Bakterien, da diesen damit eine Nahrungsquelle zur Verfügung steht. Lactobazillus ist eine der Schlüsselbakterien, die unter diesen Bedingungen nun zu wachsen beginnen, wobei Milch- als auch Essigsäure gebildet werden. Wie lange sich Lactobazillus reproduziert und wie sauer letztendlich die Würze wird, hängt von der Fermentationsdauer nach dem Absterben der Hefe ab. Nach 50 Stunden hat die Bakterienpopulation noch die Chance ihr Maximum an Population zu erreichen, demzufolge ist der Säuregrad (Acidität) der Würze gering. Eine längere Fermentationsdauer hingegen führt zu einer Steigerung der Acidität, d.h. der pH-Wert der Würze sinkt. Während der Fermentation werden verschiedene Arten von Milchsäurebakterien gebildet, besonders nach der Auflösung der Hefe. Die einen bilden sich während des gesamten Fermentationsprozesses und generieren sowohl Milch- als auch Essigsäure und die anderen werden erst bei längerer Fermentationsdauer (3. Phase) gebildet und produzieren lediglich Milchsäure. Diese beiden organischen Carbonsäuren, Milch- und Essigsäure, haben eine enorme Bedeutung, da sie die Reaktionen zu (höheren) Estern, wichtigen Geschmacksträgern im Whisky, unterstützen. Ester werden als fruchtige Aromen im Whisky wahrgenommen.
Im Gegensatz zur Bierherstellung wird bei der Whiskyproduktion die Würze nicht bis zum Kochen erhitzt. Daher gelangen die Bakterien, die auf der gemälzten Gerste befinden, in den Fermentationsprozess. Viele Getreidearten, so auch Gerste, sind reich an Hydroxyzimtsäuren. Dies sind aromatische Säuren, die mit den Hydroxygruppen der Zellwand der Gerste verestert sind. Viele Mikroorganismen besitzen die Fähigkeit, diese Hydroxyzimtsäuren zu decarboxylieren, d.h. aus ihnen Kohlendioxid (CO2) abzuspalten. Daher werden diese Decarboxylasen genannt. Somit entstehen z.B. aus der Ferulasäure (trans-4-Hydroxy-3-methoxyzimtsäure) und der p-Coumarsäure (trans-4-Hydroxyzimtsäure) die entsprechenden flüchtigen Phenol-Derivate 4-Vinylguajakol und 4-Vinylphenol. Diese Verbindungen haben charakteristische medizinische, phenolartige Aromen und kommen maßgeblich in Islay-Whiskies vor, die zum Teil mit über Torfrauch gedarrtem Malz hergestellt werden. Die o.g. Phenol-Derivate können anschließend durch weitere Enzyme (Reduktasen) zu den entsprechenden Produkten 4-Ethylguajakol bzw- 4-Ethylphenol reduziert werden. Durch diese bakteriellen und enzymatischen Reaktionen von im Malz befindlichen organischen Verbindungen gelangen somit phenolische Aromastoffe in die Würze und letztendlich in den Whisky, obwohl beim Darren des Malzes keinerlei Torfrauch, wie z.B. in den meisten Destillerien der Speyside üblich, verwendet wurde. Diese phenolischen Aromen sind bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei dem Malz, welches in Port Ellen für die meisten der Islay-Destillerien hergestellt wird, kann aber durchaus im späteren, fassgereiften Whisky als feine phenolische Note wahrgenommen werden.
Die indirekten Effekte von Brauereihefe sind die Bildung der süßlichen und öligen Aromen, hervorgerufen durch die ringförmigen Ester (Lactone) γ–Decalacton und γ-Dodecalacton. Beim Absterben und Auflösen der Hefezellen in der 2. Phase der Fermentation werden ungesättigte Fettsäuren frei, aus denen durch Milchsäurebakterien Hydroxyfettsäuren entstehen. Diese werden anschließend durch chemische Reaktionen in die oben erwähnten γ-Lactone überführt. Neben den Milchsäurebakterien gibt es noch weit mehr Bakterien, die ebenfalls durch Gärung organische Produkte erzeugen, wie z.B. Buttersäure (Clostridium butyricum), Propionsäure (Propionibacterium), Aceton und Butanol (Clostridium acetobutylicum). Diese wiederum stellen Ausgangsstoffe für die Bildung höherer, komplexer Aromastoffe dar, die sich am Ende des Herstellungsprozesses im New Spirit wieder finden.